welt:raum blog

"Bind deinen Karren an einen Stern"

zum neuen Jahr

Am 10.1.2024 haben wir in der KHG Saarbrücken einen Gottesdienst mit Impulsen zum neuen Jahr - ausgehend von der Geschichte der Sterndeuter*innen - gefeiert.

Jesus wurde in Betlehem in Judäa geboren. Zu dieser Zeit war Herodes König. Da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem. Sie fragten: »Wo ist der neugeborene König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten.« Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm alle in Jerusalem. Er rief zu sich alle führenden Priester und Schriftgelehrten des Volkes. Er fragte sie: »Wo soll der Christus geboren werden?« Sie antworteten ihm: »In Betlehem in Judäa! Denn im Buch des Propheten steht: ›Du, Betlehem im Land Juda, du bist keineswegs die unbedeutendste unter den Städten in Juda. Denn aus dir wird der Herrscher kommen, der mein Volk Israel wie ein Hirte führen soll.‹« Später rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich. Er erkundigte sich bei ihnen genau nach der Zeit, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: »Geht und sucht überall nach dem Kind! Wenn ihr es findet, gebt mir Bescheid! Dann will auch ich kommen und es anbeten.«  Nachdem die Sterndeuter den König gehört hatten, machten sie sich auf den Weg. Derselbe Stern, den sie im Osten gesehen hatten, ging vor ihnen her. Dann blieb er stehen, genau über der Stelle, wo das Kind war. Als sie den Stern sahen, waren sie außer sich vor Freude. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter. Sie warfen sich vor ihm nieder und beteten es an. Dann holten sie ihre Schätze hervor und gaben ihm Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Gott befahl ihnen im Traum: »Geht nicht wieder zu Herodes!« Deshalb kehrten sie auf einem anderen Weg in ihr Land zurück.  

Impuls:
Ein Stern lässt die Sterndeuter*innen losgehen. Das erzählt der Evangelist Matthäus.  
Und noch mehr: der Stern führt sie den ganzen Weg, bis zum Ziel, in ein ihnen bisher unbekanntes Land.  
Am Anfang des neuen Jahres stehen wir auch vor viel Unbekanntem.   
Was wird mich führen?  
Was oder wer mich begleiten auf meinem Weg durch das neue Jahr?  
Was oder wer ist, im übertragenen Sinn, mein Stern?  
Der Stern, Der mich losgehen lässt. Der mich motiviert. Der mir Mut gibt. Der mir Kraft gibt. Der mich lockt. Mein Ziel in diesem Jahr. 

Stern:
“Bind deinen Karren an einen Stern!” Dieser Spruch wird Leonardo da Vinci zugeschrieben.   
Er meint wohl, dass dann alles leichter geht, wenn ich mich mit einem/meinem Stern verbinde.   
In der biblischen Geschichte garantiert der Stern das Erreichen des Ziels.   
Zuerst gehen die Sterndeuter ja in den Palast. Dort erwarten sie, einen neugeborenen König anzutreffen. Doch der Stern zeigt ihnen ihren Irrtum und den richtigen Weg.   
Wie es ihnen wohl ging, als sie den König in der Krippe finden?   
Dem Stern zu folgen kann auch ganz überraschend, irritierend, anders sein. Zeigt diese Geschichte. 
Es ist herausfordernd, ein Wagnis, ihn immer wieder zu suchen und ihm zu folgen.  
Manchmal ist er gar nicht zu sehen, da der Himmel bewölkt ist.   
Manche Sterne erlöschen auch.  
Und dann ist da noch die Frage wie ich den richtigen Stern erkennen kann?   
Die Sterndeuter haben sich intensiv damit beschäftigt. Sie haben Übung.  
Übung hilft sicherlich.  
Aber vor allem braucht es Vertrauen.  
Letztlich das Vertrauen darauf, dass ich meinen Weg geführt werde, dass Gott bei mir ist und mich nicht verlässt.  
“Bind deinen Karren an einen Stern!”   

Impuls Wagnis:
„Ehrlich, das möchtest du tun?“  
„Bist du sicher, dass diese Entscheidung nicht nur ein Gefühl ist?“  
„Hast du auch ausreichend darüber nachgedacht?“  
„Ist dir bewusst, welche Konsequenzen diese Entscheidung in der Zukunft haben wird?“  
„Ich glaube, du verrennst dich da und gehst einen falschen Weg!“  
Solche oder ähnliche Fragen und Aussagen könnten den drei Sterndeutern begegnet sein.  
Vielleicht haben sie von ihrem Vorhaben im Bekanntenkreis erzählt:  
dem Stern folgen, einen ihnen unbekannten König finden, sich auf einen unbekannten vielleicht gefährlichen und abenteuerlichen Weg zu machen, nicht zu wissen, wohin die Reise geht.  
Wir wissen es nicht.  
Mit ein wenig Fantasie können wir uns ausmalen, wie die Reaktionen der Sterndeuter gewesen sind, als sie von ihrem Vorhaben berichtet haben.  
Was wir der Geschichte (ob geschehen oder erfunden) dennoch entnehmen können:  
Sie haben sich auf den Weg gemacht.  
Sie sind dem Stern gefolgt und  
sie sind dem Christus begegnet.  
Die Geschichte hat alles, was ein Wagnis ausmachen kann:  
sie besitzen den Mut den ersten Schritt eines Weges zu beginnen;  
damit eventuell ein Risiko, ein Abenteuer mit Gefahren einzugehen;  
den Ausgang, die Um- und Irrwege des Weges nicht zu kennen.  
Wir wissen nicht, wie es den Sterndeutern auf deren Wegen ergangen ist.  
Höchstwahrscheinlich völlig unspektakulär und reibungslos.  
Doch: am Ende ihres Weges hatten sie Geschichten über ihr Wagnis zu erzählen.  
Über den Weg  
Die Begegnungen  
Den doch sehr eigenartigen König  
Das seltsame Geschehen, das sich ihnen am Zielort geboten hat  
Ich glaube, dass das, was sie gesehen und erlebt haben, ihren Blick in und auf die Welt verändert haben wird. Vielleicht sind sie achtsamer und aufmerksamer für die Geschehnisse in ihrer Welt geworden.  
Und an diesem Punkt können wir die Geschichte der Sterndeuter gut mit unseren eigenen Geschichten in Verbindung bringen.  
Das ein oder andere Wagnis in unserem Leben kennen wir vielleicht.  
Die eben formulierten Fragen und Aussagen kommen uns vielleicht bekannt vor.  
Wir kennen die Um- und Irrwege, die Geschichten dazu.  
Das Wagnis der Sterndeuter und die Wagnisse in unserem eigenen Leben bringen Veränderungen mit sich.  
Und manchmal einen Wagnisgewinn.  

Impuls Vertrauen:
Ja, die Sterndeuter sind ein Wagnis eingegangen. Dem Stern zu folgen, in ein fremdes Land, auf der Suche nach einem neuen König. Wie lange müssen sie unterwegs gewesen sein? Was alles erlebt auf dieser Reise? 
Die Sterndeuter sind zwar Weise Menschen, die es gelernt haben, die Zukunft aufgrund von Sternen zu deuten – aber letztlich gewusst, was sie erwartet, ob ihre Deutung des Sterns die richtige ist, das haben sie nicht. Sie wussten nicht, worauf sie sich einlassen. 
Die Geschichte aber berichtet uns von keinem Zögern, keinen Zweifel, keinem Taktieren, keiner Diskussion der Sterndeuter untereinander, keinem Misstrauen, keiner Angst.  
Anstelle dessen berichtet sie uns von einem Vertrauen, das sie Sterndeuter antreibt: 
Zum einen: Vertrauen darauf, dass das eigene Wissen, die eigene Deutung des Geschehens die richtige ist. Dass das eigene Gefühl – das eigene Bauchgefühl gespeist und gedeutet von der eigenen Lebenserfahrung und dem erworbenen Wissen, nicht trügt.  
Zum anderen: Vertrauen darauf, dass der Stern den richtigen Weg zeigen wird. Dass es sich lohnt, ihm zu folgen. Dass er bis zum Ziel hell leuchten wird und auch bis zum Ziel führen wird. 
Und zuletzt auch Vertrauen darauf, dass der Weg unter “einem guten Stern steht”, der eben kein Zufall ist, sondern gottgewollt und von Gott begleitet. 
Vielleicht ist auch das etwas, was uns aus dieser Geschichte ins neue Jahr begleiten kann:  
Vertrauen zu haben:  
Vertrauen haben in mich selbst, mein Bauchgefühl, meine Erfahrungen und mein Wissen. Vertrauen darauf, dass ich die richtigen Entscheidungen treffen kann. 
Vertrauen darauf, dass auch mein Stern, also mein Ziel, das was mir Kraft und Motivation gibt, das was ich vielleicht eben aufgeschrieben habe, mir den richtigen und guten Weg zeigt und wenn es “nur” für jetzt ist. 
Und Vertrauen darauf, dass ich damit nicht alleine bin. Dass dieser Weg für mich vorgezeichnet ist, dass Gott mich begleitet. 
von dr.in martina fries 8. Dezember 2025
1986 hat der Sänger Rio Reiser in einem Lied besungen, was er machen würde, wenn er „Kanzler, Kaiser, König oder Königin“ von Deutschland wäre. Vorstellungen davon, wie Regierende handeln sollten, gab es zu allen Zeiten. In den katholischen Gottesdiensten wird heute ein solcher Text vorgelesen. Er ist mehr als 2500 Jahre alt. Der Prophet Jesaja beschreibt darin als notwendige Eigenschaften für Mächtige Weisheit und Einsicht, Rat und Stärke, Erkenntnis und Ehrfurcht. Und es heißt weiter: Der Herrschende „urteilt nicht nach dem Augenschein und entscheidet nicht nach dem Hörensagen. Er ist gerecht und sorgt dafür, dass die Schwachen zu ihrem Recht kommen. Er ist aufrichtig und trifft Entscheidungen zugunsten der Armen im Land.“ Eine schöne Vision, die der Prophet da beschreibt. Vor allem in einer Welt voller Kriege und unfähiger Machthaber*innen. Es ist eine Vision und gleichzeitig ein Handlungsauftrag. Auch an mich. Auch ich kann nach dem Augenschein urteilen und nicht nach dem Hörensagen. Nicht irgendwelche Gerüchte und Fakenews verbreiten, sondern erst einmal überprüfen, ob die vermeintlichen Nachrichten auch stimmen. Auch ich kann gerecht handeln und Schwache schützen. Ich werde den heutigen Sonntag nutzen, mir meine Friedensvision zu überlegen und wie ich sie umsetzen kann. Hier als SR Zwischenruf nachhören
von dr.in martina fries 8. Dezember 2025
„Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“ Dieser Text von Mascha Kaleko passt gut in die dunkle Zeit gerade. Es ist gerade viel Nacht. Und je nachdem wo man hinschaut auch viel Fürchten. Gegen das Dunkel um uns herum können Lichterketten helfen, Kerzen, Feuer. Das ist aber nur das eine Dunkel. Es gibt auch noch das Dunkel in uns. Wenn wir leiden. Uns einsam fühlen. Trost brauchen. Da braucht es mehr als Lichterketten und Kerzen. Wie dieses Dunkel erleuchtet werden kann, das hat der Heilige Nikolaus, dessen Gedenktag heute ist, gezeigt. Von ihm wird erzählt, dass er sehr aufmerksam war für das Leid, das Dunkel um ihn herum und auch immer wieder konkret geholfen hat. Deshalb gibt es am Nikolaustag kleine Aufmerksamkeiten. Für mich ist das die schönste Bedeutung des Nikolaustages: zu erfahren, dass mich jemand sieht, an mich denkt, dass es nicht nur das Dunkle um mich herum und in mir, sondern auch den Mond und die Sterne gibt. Und dass ich, wenn ich möchte, auch für andere ein Stern sein kann. In diesem Sinn wünsche ich ihnen einen funkelnden Nikolaustag. Hier als SR Zwischenruf nachhören
von dr.in martina fries 5. Dezember 2025
Lila Herzen statt Hakenkreuzen. Diese Übermalaktion hätte für das Bündnis gegen Rechts in Göttingen beinahe zu einer Strafe geführt. In einem Mietshaus hatte die Hausverwaltung über zwei Monate lang die hingeschmierten Hakenkreuze nicht entfernt. Deshalb entfernten Mitglieder des Bündnisses diese Zeichen des Hasses. Sie übermalten sie mit Symbolen der Liebe, lilafarbenen Herzen. Das Amtsgericht Göttingen befand dieses Vorgehen jetzt als nicht strafbar, sondern als Zeichen von Zivilcourage und demokratischem Widerstand. „Love is our Resistance“ – Liebe ist unser Widerstand singt die britische Band Muse. An dieses Lied musste ich denken, als ich die Nachricht las. Und daran, dass Frieden bei mir, in meiner Wohnung, in meinem Hausflur, auf der Straße, am Arbeitsplatz beginnt. Den Weltfrieden habe ich nicht in der Hand. Aber ich kann entscheiden wieviel Frieden von mir ausgehen soll. Während Politiker*innen vermehrt fordern, dass wir kriegstüchtig werden müssen, kann ich friedenstüchtig werden. Ich behaupte: das ist gar nicht so schwer. Und beginnt im Kleinen. Mich entschuldigen, dankbar sein, den anderen wertschätzend und freundlich begegnen. All das trägt zum Frieden bei. Der Advent soll auf das Weihnachtsfest vorbereiten. An Weihnachten, so glauben Christ*innen, wird G*tt, die Liebe, Mensch. Jetzt, im Advent ist also genau die richtige Zeit, sich friedenstüchtig zu machen. Hier als SR Zwischenruf nachhören.
von dr.in martina fries 4. Dezember 2025
Ich werde mir heute einen Zweig an einem Baum abschneiden und in meine Wohnung stellen. Diesen Brauch zum Barbaratag finde ich nämlich schön. Die Heilige Barbara hat wohl im 3. Jahrhundert in Kleinasien gelebt. Weil sie sich für den christlichen Glauben entschieden hatte, wurde sie zum Tod verurteilt. Eine Legende erzählt: Auf dem Weg ins Gefängnis bleibt in ihrem Gewand ein Zweig hängen. Diesen stellt sie dort angekommen in Wasser und am Tag ihres Todes blüht er. Auf diese Legende geht der Brauch der Barbarazweige zurück. Menschen schneiden heute Zweige von Bäumen. Diese werden dann in der warmen Wohnung in eine Vase voller Wasser gestellt und blühen, wenn alles gut läuft, zu Weihnachten. Mitten im Winter, wenn nichts blüht, blüht doch etwas. Und erinnert mich daran, dass es Hoffnung gibt, auch dann, wenn es gerade nicht so aussieht. Dass in den tot aussehenden Ästen neues Leben schlummert. Dass es auch in mir Vieles gibt, das sich noch entwickeln kann. Die Voraussetzung: das Klima muss stimmen. Was für Zweige das Wasser, das Licht und die Wärme sind, das können für mich Zutrauen, Zuspruch, Ermutigung sein. Der Zweig in meiner Wohnung soll mich daran erinnern, dass ich genau hinschaue ob wirklich alles zu Ende ist, ob es wirklich keine Hoffnung mehr gibt, oder ob nicht doch Neues auf mich wartet. Vielleicht sogar dort, wo ich es gerade am wenigsten vermute. Er erinnert mich daran, dass ich nicht aufhören muss zu hoffen. Und auch dass ich das passende Klima schaffen muss, in dem Dinge sich entwickeln, Neues entstehen kann. Ich freue mich schon auf alles Blühende. Hier als SR Zwischenruf nachhören
von dr.in martina fries 30. September 2025
Am 30. August 2025 hat der welt:raum seine Türen zum letzten Mal am Sankt Johanner Markt geöffnet. Es war ein trauriger und schöner Tag, da so viele Menschen da waren, um "Farewell" zu sagen. Hier die Gedanken der Hauptamtlichen zur Schließung: "Wir haben uns letzte Worte vorgenommen und angekündigt. Und obwohl ich immer noch hoffe, dass es dann vielleicht doch nur vorletzte Worte sein werden – bezogen auf den welt:raum als Konzept oder Idee – so sind es letzte Worte bezogen auf diesen Raum. Es ist offen ob und wie es weitergeht mit dem welt:raum. Eins aber ist sicher: es wird anders. Anders, das ist ein Adjektiv, das den welt:raum gut beschreibt. Als ich 2015 den Auftrag bekam, das Angebot der Innenstadtpastoral zu überprüfen, hatte ich mich zuvor intensiv mit der Theorie der Heterotopien von Michel Foucault beschäftigt. Diese besagt, dass jede Gesellschaft Andersorte braucht - Andersorte sind Orte, die Dinge bestätigen, verstärken, aber vor allem Überraschendes bieten und Alltägliches unterbrechen. Theologisch gesprochen: Platz für das Transzendente lassen und/oder öffnen. Anders als die Utopien, die keinen Ort haben und deshalb auch nicht überprüft werden können, haben die Heterotopien einen Platz. Es gibt sie nur, wenn sie einen Ort haben, wenn man sie auf einer Landkarte einzeichnen kann. Entscheidend für einen Heterotopos ist außerdem, dass er sich in Kontakt zu dem Raum befindet, zu dem er gehört. Dass er von diesem abhängig ist und diesen mitgestaltet. Deshalb wurde aus st. glauben am markt der welt:raum. Weil es nicht um ein fertiges Angebot gehen sollte, das so an jedem anderen Ort hätte angeboten werden können, sondern um eine Begegnung zwischen dem Ort und dem Sankt Johanner Markt, um eine wechselseitige Entwicklung, um einen Raum für die Welt, in dem sich die Welt treffen kann. Für mich als Theologin war der Versuch, den Ort als Andersort stark zu machen, der Test, ob die Kirche überhaupt noch gebraucht werden kann von der Welt. In 9 Jahren hat der welt:raum bewiesen, dass das so ist: die Welt kann die Kirche brauchen an Orten, die wie er funktionieren: zum Beispiel offen, gegenwärtig, sich schenkend, lernend, sich riskierend. Bezogen auf die Kirche wurde deutlich: nur wenn diese sich an Andersorten einlässt auf die Rhythmen der Menschen, sich riskiert und verschenkt, kann sie so Kirche sein, wie das Zweite Vatikanische Konzil und auch die Synode im Bistum Trier gefordert hat: an der Seite der Menschen. (Martina Fries) Seit zweieinhalb Jahren bin ich mit einem Anteil von 20% im welt:raum, nachdem das Bistumsprojekt Tante Anna in Sulzbach geschlossen wurde. Lange Zeit davon war ich beim Offenen Betrieb freitags da und wer da so alles freitags an einem Tisch zusammen kommt, dass ist ein Beispiel dessen, was sich im welt:raum ereignet. Freitags gibt es Waffeln, das macht es natürlich noch attraktiver. Da ist die junge Familie, die sich auf die Waffeln freut und Zeit in der Spieleecke verbringt. Der Opa mit seinem Enkel, der regelmäßig hier seinen Kaffee trinkt, wären der Enkel mit der Ritterburg spielt. Da kommen Menschen, die sich an den großen Tisch setzen uns sich freuen, einen Gesprächspartner zu finden. Man teilt Freud und Leid und oft die ganz normalen Geschehnisse aus dem Alltag. Für manchen ist es der einzige Moment am Tag, dass er einen Gesprächspartner findet. Der eine oder die andere kommen aus dem Umfeld der „Tagsüber Wohnungslosen“ und ab und an erwische ich mich bei dem Gedanken, ob die Waffel das einzig Warme ist, das sie heute in den Bauch bekommen. Dazwischen kommen Besucher*innen unserer Ausstellungen, andere, die gern bei uns ein Plakat aufhängen wollen, andere haben konkrete Fragen ober kommen zu den Konzerten. Und natürlich netzwerken. Präsent sein im Umfeld und in der Stadt. (Tina Wagner) Der welt:raum war ein Ermöglichungsort, in dem Themen und Menschen Platz fanden, die diesen sonst vielleicht nicht gehabt hätten. Es war ein Ort der Begegnung, nicht zuletzt zwischen solchen Menschen, Gruppen und Organisationen, die sich ohne den welt:raum nie begegnet wären. Es war ein Ort des zivilgesellschaftlichen, kirchlichen, ehrenamtlichen Engagements. Es war ein Ort von Kunst und Kultur. Es war ein Ort mitten in der Stadt, der unverzweckt und ohne Konsumzwang genutzt werden konnte. (Martina Fries) In meiner Tätigkeit als Seelsorgerin war das Diakonische immer die Basis. „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“, so der ehemalige französische Bischof Jacques Gaillot. Auch im Rahmen der Ausbildung zur Pastoralreferentin im Bistum Trier war die Diakonie stets ein zentrales Glaubwürdigkeitskriterium pastoralen Handelns. Vor einigen Jahren gab es im welt:raum in der Reihe der Veranstaltungen „kab im welt:raum“ ein Treffen mit Kolleg*innen aus der Gemeinwesenarbeit. Auf die Frage, warum Menschen sich für Themen gewinnen lassen, kam als klare Antwort: wenn es für sie lebens-not-wendig“ ist. Also wenn es ihr Leben in einer schwierigen Situation zum Guten wendet. Einfach, konsequent und konkret. Ich bin davon überzeugt, dass hier ein Ort war, an dem es gelungen ist, einen Raum zu eröffnen für die menschliche Existenz und ihre Bedürftigkeit. (Tina Wagner) Die Kirche hat hier einen Habitus des demütigen sich Anbietens und des Seins auf Augenhöhe gelebt und gelernt. Schade, dass dieser nie wirklich mehrheitsfähig wurde und daher nun nicht weiter finanziert wird. Über dieses ernüchternde theologische und institutionelle Resümee hinaus, sehe ich jedoch Zukunft. Denn das, was der welt:raum war, das kann weitergehen durch die, die auch bisher den welt:raum gestaltet haben: Auch ohne Ort kann ich Menschen offen und freundlich begegnen, kann ich mich einsetzen für Demokratie, ein friedvolles Zusammenleben und die Würde jedes Menschen. Ich hoffe, dass sie alle so welt:raum:abenteurer*innen bleiben. Ich habe überlegt, welche Highlights es für mich in den zurückliegenden 9 Jahren gab. Es gibt Dinge, die mir vor anderen einfallen, die aber nicht wichtiger waren als andere, die ich vielleicht auch schon vergessen habe. Wirklich alles und jede und jeder war bedeutsam, hat den welt:raum gestaltet, geprägt, weiterentwickelt. Und für alles bin ich wirklich dankbar. Nicht nur heute, aber heute besonders denke ich auch an die, die gerne hier gewesen wären, wenn sie es könnten. Danke für alle und alles! (Martina Fries)" Außerdem gab es am 28.8.2025 einen Artikel der Saarbrücker Zeitung: Und auch dem Saarländischen Rundfunk war der Farewell-Tag einen Beitrag wert:
von Dr.in Martina Fries 16. August 2025
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von dr. martina fries 22. Juni 2025
Wo sind sie gerade? Am Frühstückstisch? Im Auto? Am Bügelbrett? Am Herd? „Wo bist du?“ ist die erste Frage G*ttes an den Menschen. So erzählt es die biblische Schöpfungsgeschichte. Wo ich bin, beeinflusst wer ich bin und was ich für Möglichkeiten habe. Im welt:raum, einem Ort von Kirche am Sankt Johanner Markt in Saarbrücken gibt es gerade eine sehr beeindruckende Ausstellung. Die ukrainische Künstlerin Olena Chelnokova verbindet ihre Bilder mit dem Ort. Sie sagt: „Meine Serie (…) hat ihren Platz in einer (…) Umgebung gefunden, die auf wundersame Weise das Wesen meiner Werke widerspiegelt – im welt:raum. Dieser physisch kleine, aber im Gefühl grenzenlose Ort vereint Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt. Viele von ihnen sind Geflüchtete, die durch den Krieg gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen. Es ist ein besonderer Ort, an dem sich Kulturen begegnen und Schicksale kreuzen.“ Wo etwas ist beeinflusst immer, wie etwas ist. Wo ich bin, beeinflusst wer ich bin. Das gilt für Kunstwerke genauso wie für mein ganz alltägliches Leben genauso wie für die Kirche. Der welt:raum ist für mich ein gutes Beispiel dafür. Hier ist die Kirche, die von sich sagt, dass sie an der Seite der Menschen stehen will, genau dort. Hier öffnet sich ein Raum, der Menschen und Themen miteinander verbindet, die sich sonst wahrscheinlich nie getroffen hätten. Hier entwickeln sich alle Beteiligten miteinander weiter. Hier hat die frohe Botschaft des Glaubens einen Ort. Mich hat der welt:raum sehr geprägt. Ich habe gelernt, sehr genau darauf zu achten, wo ich bin und welche Orte ich aufsuche. Wo planen sie heute zu sein? SR Zwischenruf
von dr. martina fries 22. Juni 2025
Heute ist kalendarischer Sommeranfang: der Tag im Jahr, an dem es am längsten hell ist. Das heißt aber auch: Ab heute werden die Tage wieder kürzer. Im Anfang ist das Ende direkt schon dabei. Das ist immer so. Im Sommer hat die Natur ihre volle Blüte, nur, um sie dann wieder zu verlieren. Das Leben beginnt, um mit dem Tod zu enden. In der Freude des Anfangs schwingt schon die Wehmut des Abschieds mit. Das ist beim Urlaub bei mir auch immer so. Im Wissen, dass die Zeit begrenzt ist, fällt es mir manchmal schwer, mich einfach nur zu freuen und sie zu genießen. Dabei macht die Begrenzung alles wertvoller. Würde der Sommer von heute an für immer sein, wäre er schon bald Normalität. Und wahrscheinlich würden wir uns auch bald nach Regen, kühleren Temperaturen, bunten Blättern an den Bäumen oder Schnee sehnen. Das alles gibt es aber nur dann, wenn der Sommer auch wieder zu Ende geht. Der heutige Sommeranfang beinhaltet schon das Ende des Sommers. Das ist traurig. Und gut. Denn Anfang und Ende gehören zusammen. Nur miteinander hat alles einen Wert. SR Zwischenruf
von dr. martina fries 22. Juni 2025
Ungefähr 123 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Ungefähr 304 Millionen Menschen leben in einem Land, in dem sie nicht geboren sind. Das sind Millionen Geschichten. Es sind Geschichten, die von Krieg, Armut und Naturkatastrophen erzählen. Es sind Geschichten von Leid und Tod. Und es sind Geschichten von Stärke, Kraft und Hoffnung. Die Menschen, die sich aufmachen, die fliehen, fliehen vor etwas, aber vor allem fliehen sie zu etwas hin. Sie brechen auf mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. All dies tragen sie mit sich, wenn sie an geschlossene Grenzen kommen. Geschlossene Grenzen stehen für Angst. Die Hoffnung hat hier keinen Platz. An geschlossenen Grenzen begegnen sich zwei Haltungen: Auf der einen Seite die Stärke und der Mut, die Hoffnung auf ein erfüllteres Leben. Auf der anderen Seite die Angst. Die Hoffnung ist auf die Zukunft hingerichtet, die Angst auf die Vergangenheit. Die Hoffnung macht weit, die Angst eng. Nur wer Hoffnung hat, hat Zukunft, kann sich weiterentwickeln, wer Angst hat, stagniert und verliert letztlich. Das gilt für die Einzelnen genauso wie für die ganze Gesellschaft. Heute ist Weltflüchtlingstag. Dieser erinnert an all die Menschen, die voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft unterwegs sind und denen die Angst diese nehmen will. Und er erinnert die, die noch nicht fliehen mussten, daran, dass sie sich entscheiden können auf welcher Seite sie stehen: auf der der Hoffnung und der Zukunft oder auf der der Angst und des Untergangs. SR Zwischenruf
von dr. martina fries 19. Juni 2025
Heute ist Fronleichnam. Ein sehr katholisches Fest. Viele Gemeinden feiern es draußen. Wenn das Wetter es erlaubt. Der Gottesdienst ist nicht in der Kirche, sondern im Stadtpark, auf dem Marktplatz, auf dem Sportplatz. Oft gibt es auch eine Prozession. Was sonst im Kirchenraum geschieht ist heute öffentlich. Und die, die es tun, setzen sich aus. Männer in Messgewändern, Weihrauch, Monstranz, Kirchenlieder, all das passt eigentlich nicht an die Orte, an denen es heute ist. Passant*innen fühlen sich gestört, irritiert, machen sich lustig. So, wie das Fronleichnamsfest traditionell gefeiert wird, passt es nicht mehr. Dabei geht verloren, worum es an Fronleichnam auch geht: Fronleichnam ist ein Fest gegen die Versuchung des Rückzugs, gegen die Beschränkung auf Eigenlogiken, für das Verlassen der Komfortzone, der eigenen Bubble. Für die Begegnung mit anderen und anderem. Fronleichnam erinnert daran: Nur wenn ich mich aussetze, wenn ich mich riskiere, wenn ich ins Fremde gehe, kann mir Neues begegnen. Und nur wenn mir Neues begegnet, kann ich mich verändern und weiterentwickeln. Das gilt für die Kirche, für Einzelne, für Gruppen und Institutionen. Damit es zur Weiterentwicklung kommen kann, braucht es die Bereitschaft dafür und einen gegenseitigen Austausch. Da ist bei den meisten Fronleichnamsfeiern heute noch Luft nach oben. Dennoch: Das Fronleichnamsfest hat eine wichtige Botschaft: Es braucht die Begegnung mit dem Fremden, um den Horizont zu erweitern, um sich weiterzuentwickeln. zum SR Zwischenruf geht es hier
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