welt:raum blog

"Bind deinen Karren an einen Stern"

zum neuen Jahr

Am 10.1.2024 haben wir in der KHG Saarbrücken einen Gottesdienst mit Impulsen zum neuen Jahr - ausgehend von der Geschichte der Sterndeuter*innen - gefeiert.

Jesus wurde in Betlehem in Judäa geboren. Zu dieser Zeit war Herodes König. Da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem. Sie fragten: »Wo ist der neugeborene König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten.« Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm alle in Jerusalem. Er rief zu sich alle führenden Priester und Schriftgelehrten des Volkes. Er fragte sie: »Wo soll der Christus geboren werden?« Sie antworteten ihm: »In Betlehem in Judäa! Denn im Buch des Propheten steht: ›Du, Betlehem im Land Juda, du bist keineswegs die unbedeutendste unter den Städten in Juda. Denn aus dir wird der Herrscher kommen, der mein Volk Israel wie ein Hirte führen soll.‹« Später rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich. Er erkundigte sich bei ihnen genau nach der Zeit, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: »Geht und sucht überall nach dem Kind! Wenn ihr es findet, gebt mir Bescheid! Dann will auch ich kommen und es anbeten.«  Nachdem die Sterndeuter den König gehört hatten, machten sie sich auf den Weg. Derselbe Stern, den sie im Osten gesehen hatten, ging vor ihnen her. Dann blieb er stehen, genau über der Stelle, wo das Kind war. Als sie den Stern sahen, waren sie außer sich vor Freude. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter. Sie warfen sich vor ihm nieder und beteten es an. Dann holten sie ihre Schätze hervor und gaben ihm Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Gott befahl ihnen im Traum: »Geht nicht wieder zu Herodes!« Deshalb kehrten sie auf einem anderen Weg in ihr Land zurück.  

Impuls:
Ein Stern lässt die Sterndeuter*innen losgehen. Das erzählt der Evangelist Matthäus.  
Und noch mehr: der Stern führt sie den ganzen Weg, bis zum Ziel, in ein ihnen bisher unbekanntes Land.  
Am Anfang des neuen Jahres stehen wir auch vor viel Unbekanntem.   
Was wird mich führen?  
Was oder wer mich begleiten auf meinem Weg durch das neue Jahr?  
Was oder wer ist, im übertragenen Sinn, mein Stern?  
Der Stern, Der mich losgehen lässt. Der mich motiviert. Der mir Mut gibt. Der mir Kraft gibt. Der mich lockt. Mein Ziel in diesem Jahr. 

Stern:
“Bind deinen Karren an einen Stern!” Dieser Spruch wird Leonardo da Vinci zugeschrieben.   
Er meint wohl, dass dann alles leichter geht, wenn ich mich mit einem/meinem Stern verbinde.   
In der biblischen Geschichte garantiert der Stern das Erreichen des Ziels.   
Zuerst gehen die Sterndeuter ja in den Palast. Dort erwarten sie, einen neugeborenen König anzutreffen. Doch der Stern zeigt ihnen ihren Irrtum und den richtigen Weg.   
Wie es ihnen wohl ging, als sie den König in der Krippe finden?   
Dem Stern zu folgen kann auch ganz überraschend, irritierend, anders sein. Zeigt diese Geschichte. 
Es ist herausfordernd, ein Wagnis, ihn immer wieder zu suchen und ihm zu folgen.  
Manchmal ist er gar nicht zu sehen, da der Himmel bewölkt ist.   
Manche Sterne erlöschen auch.  
Und dann ist da noch die Frage wie ich den richtigen Stern erkennen kann?   
Die Sterndeuter haben sich intensiv damit beschäftigt. Sie haben Übung.  
Übung hilft sicherlich.  
Aber vor allem braucht es Vertrauen.  
Letztlich das Vertrauen darauf, dass ich meinen Weg geführt werde, dass Gott bei mir ist und mich nicht verlässt.  
“Bind deinen Karren an einen Stern!”   

Impuls Wagnis:
„Ehrlich, das möchtest du tun?“  
„Bist du sicher, dass diese Entscheidung nicht nur ein Gefühl ist?“  
„Hast du auch ausreichend darüber nachgedacht?“  
„Ist dir bewusst, welche Konsequenzen diese Entscheidung in der Zukunft haben wird?“  
„Ich glaube, du verrennst dich da und gehst einen falschen Weg!“  
Solche oder ähnliche Fragen und Aussagen könnten den drei Sterndeutern begegnet sein.  
Vielleicht haben sie von ihrem Vorhaben im Bekanntenkreis erzählt:  
dem Stern folgen, einen ihnen unbekannten König finden, sich auf einen unbekannten vielleicht gefährlichen und abenteuerlichen Weg zu machen, nicht zu wissen, wohin die Reise geht.  
Wir wissen es nicht.  
Mit ein wenig Fantasie können wir uns ausmalen, wie die Reaktionen der Sterndeuter gewesen sind, als sie von ihrem Vorhaben berichtet haben.  
Was wir der Geschichte (ob geschehen oder erfunden) dennoch entnehmen können:  
Sie haben sich auf den Weg gemacht.  
Sie sind dem Stern gefolgt und  
sie sind dem Christus begegnet.  
Die Geschichte hat alles, was ein Wagnis ausmachen kann:  
sie besitzen den Mut den ersten Schritt eines Weges zu beginnen;  
damit eventuell ein Risiko, ein Abenteuer mit Gefahren einzugehen;  
den Ausgang, die Um- und Irrwege des Weges nicht zu kennen.  
Wir wissen nicht, wie es den Sterndeutern auf deren Wegen ergangen ist.  
Höchstwahrscheinlich völlig unspektakulär und reibungslos.  
Doch: am Ende ihres Weges hatten sie Geschichten über ihr Wagnis zu erzählen.  
Über den Weg  
Die Begegnungen  
Den doch sehr eigenartigen König  
Das seltsame Geschehen, das sich ihnen am Zielort geboten hat  
Ich glaube, dass das, was sie gesehen und erlebt haben, ihren Blick in und auf die Welt verändert haben wird. Vielleicht sind sie achtsamer und aufmerksamer für die Geschehnisse in ihrer Welt geworden.  
Und an diesem Punkt können wir die Geschichte der Sterndeuter gut mit unseren eigenen Geschichten in Verbindung bringen.  
Das ein oder andere Wagnis in unserem Leben kennen wir vielleicht.  
Die eben formulierten Fragen und Aussagen kommen uns vielleicht bekannt vor.  
Wir kennen die Um- und Irrwege, die Geschichten dazu.  
Das Wagnis der Sterndeuter und die Wagnisse in unserem eigenen Leben bringen Veränderungen mit sich.  
Und manchmal einen Wagnisgewinn.  

Impuls Vertrauen:
Ja, die Sterndeuter sind ein Wagnis eingegangen. Dem Stern zu folgen, in ein fremdes Land, auf der Suche nach einem neuen König. Wie lange müssen sie unterwegs gewesen sein? Was alles erlebt auf dieser Reise? 
Die Sterndeuter sind zwar Weise Menschen, die es gelernt haben, die Zukunft aufgrund von Sternen zu deuten – aber letztlich gewusst, was sie erwartet, ob ihre Deutung des Sterns die richtige ist, das haben sie nicht. Sie wussten nicht, worauf sie sich einlassen. 
Die Geschichte aber berichtet uns von keinem Zögern, keinen Zweifel, keinem Taktieren, keiner Diskussion der Sterndeuter untereinander, keinem Misstrauen, keiner Angst.  
Anstelle dessen berichtet sie uns von einem Vertrauen, das sie Sterndeuter antreibt: 
Zum einen: Vertrauen darauf, dass das eigene Wissen, die eigene Deutung des Geschehens die richtige ist. Dass das eigene Gefühl – das eigene Bauchgefühl gespeist und gedeutet von der eigenen Lebenserfahrung und dem erworbenen Wissen, nicht trügt.  
Zum anderen: Vertrauen darauf, dass der Stern den richtigen Weg zeigen wird. Dass es sich lohnt, ihm zu folgen. Dass er bis zum Ziel hell leuchten wird und auch bis zum Ziel führen wird. 
Und zuletzt auch Vertrauen darauf, dass der Weg unter “einem guten Stern steht”, der eben kein Zufall ist, sondern gottgewollt und von Gott begleitet. 
Vielleicht ist auch das etwas, was uns aus dieser Geschichte ins neue Jahr begleiten kann:  
Vertrauen zu haben:  
Vertrauen haben in mich selbst, mein Bauchgefühl, meine Erfahrungen und mein Wissen. Vertrauen darauf, dass ich die richtigen Entscheidungen treffen kann. 
Vertrauen darauf, dass auch mein Stern, also mein Ziel, das was mir Kraft und Motivation gibt, das was ich vielleicht eben aufgeschrieben habe, mir den richtigen und guten Weg zeigt und wenn es “nur” für jetzt ist. 
Und Vertrauen darauf, dass ich damit nicht alleine bin. Dass dieser Weg für mich vorgezeichnet ist, dass Gott mich begleitet. 
von dr.in martina fries 30. September 2025
Am 30. August 2025 hat der welt:raum seine Türen zum letzten Mal am Sankt Johanner Markt geöffnet. Es war ein trauriger und schöner Tag, da so viele Menschen da waren, um "Farewell" zu sagen. Hier die Gedanken der Hauptamtlichen zur Schließung: "Wir haben uns letzte Worte vorgenommen und angekündigt. Und obwohl ich immer noch hoffe, dass es dann vielleicht doch nur vorletzte Worte sein werden – bezogen auf den welt:raum als Konzept oder Idee – so sind es letzte Worte bezogen auf diesen Raum. Es ist offen ob und wie es weitergeht mit dem welt:raum. Eins aber ist sicher: es wird anders. Anders, das ist ein Adjektiv, das den welt:raum gut beschreibt. Als ich 2015 den Auftrag bekam, das Angebot der Innenstadtpastoral zu überprüfen, hatte ich mich zuvor intensiv mit der Theorie der Heterotopien von Michel Foucault beschäftigt. Diese besagt, dass jede Gesellschaft Andersorte braucht - Andersorte sind Orte, die Dinge bestätigen, verstärken, aber vor allem Überraschendes bieten und Alltägliches unterbrechen. Theologisch gesprochen: Platz für das Transzendente lassen und/oder öffnen. Anders als die Utopien, die keinen Ort haben und deshalb auch nicht überprüft werden können, haben die Heterotopien einen Platz. Es gibt sie nur, wenn sie einen Ort haben, wenn man sie auf einer Landkarte einzeichnen kann. Entscheidend für einen Heterotopos ist außerdem, dass er sich in Kontakt zu dem Raum befindet, zu dem er gehört. Dass er von diesem abhängig ist und diesen mitgestaltet. Deshalb wurde aus st. glauben am markt der welt:raum. Weil es nicht um ein fertiges Angebot gehen sollte, das so an jedem anderen Ort hätte angeboten werden können, sondern um eine Begegnung zwischen dem Ort und dem Sankt Johanner Markt, um eine wechselseitige Entwicklung, um einen Raum für die Welt, in dem sich die Welt treffen kann. Für mich als Theologin war der Versuch, den Ort als Andersort stark zu machen, der Test, ob die Kirche überhaupt noch gebraucht werden kann von der Welt. In 9 Jahren hat der welt:raum bewiesen, dass das so ist: die Welt kann die Kirche brauchen an Orten, die wie er funktionieren: zum Beispiel offen, gegenwärtig, sich schenkend, lernend, sich riskierend. Bezogen auf die Kirche wurde deutlich: nur wenn diese sich an Andersorten einlässt auf die Rhythmen der Menschen, sich riskiert und verschenkt, kann sie so Kirche sein, wie das Zweite Vatikanische Konzil und auch die Synode im Bistum Trier gefordert hat: an der Seite der Menschen. (Martina Fries) Seit zweieinhalb Jahren bin ich mit einem Anteil von 20% im welt:raum, nachdem das Bistumsprojekt Tante Anna in Sulzbach geschlossen wurde. Lange Zeit davon war ich beim Offenen Betrieb freitags da und wer da so alles freitags an einem Tisch zusammen kommt, dass ist ein Beispiel dessen, was sich im welt:raum ereignet. Freitags gibt es Waffeln, das macht es natürlich noch attraktiver. Da ist die junge Familie, die sich auf die Waffeln freut und Zeit in der Spieleecke verbringt. Der Opa mit seinem Enkel, der regelmäßig hier seinen Kaffee trinkt, wären der Enkel mit der Ritterburg spielt. Da kommen Menschen, die sich an den großen Tisch setzen uns sich freuen, einen Gesprächspartner zu finden. Man teilt Freud und Leid und oft die ganz normalen Geschehnisse aus dem Alltag. Für manchen ist es der einzige Moment am Tag, dass er einen Gesprächspartner findet. Der eine oder die andere kommen aus dem Umfeld der „Tagsüber Wohnungslosen“ und ab und an erwische ich mich bei dem Gedanken, ob die Waffel das einzig Warme ist, das sie heute in den Bauch bekommen. Dazwischen kommen Besucher*innen unserer Ausstellungen, andere, die gern bei uns ein Plakat aufhängen wollen, andere haben konkrete Fragen ober kommen zu den Konzerten. Und natürlich netzwerken. Präsent sein im Umfeld und in der Stadt. (Tina Wagner) Der welt:raum war ein Ermöglichungsort, in dem Themen und Menschen Platz fanden, die diesen sonst vielleicht nicht gehabt hätten. Es war ein Ort der Begegnung, nicht zuletzt zwischen solchen Menschen, Gruppen und Organisationen, die sich ohne den welt:raum nie begegnet wären. Es war ein Ort des zivilgesellschaftlichen, kirchlichen, ehrenamtlichen Engagements. Es war ein Ort von Kunst und Kultur. Es war ein Ort mitten in der Stadt, der unverzweckt und ohne Konsumzwang genutzt werden konnte. (Martina Fries) In meiner Tätigkeit als Seelsorgerin war das Diakonische immer die Basis. „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“, so der ehemalige französische Bischof Jacques Gaillot. Auch im Rahmen der Ausbildung zur Pastoralreferentin im Bistum Trier war die Diakonie stets ein zentrales Glaubwürdigkeitskriterium pastoralen Handelns. Vor einigen Jahren gab es im welt:raum in der Reihe der Veranstaltungen „kab im welt:raum“ ein Treffen mit Kolleg*innen aus der Gemeinwesenarbeit. Auf die Frage, warum Menschen sich für Themen gewinnen lassen, kam als klare Antwort: wenn es für sie lebens-not-wendig“ ist. Also wenn es ihr Leben in einer schwierigen Situation zum Guten wendet. Einfach, konsequent und konkret. Ich bin davon überzeugt, dass hier ein Ort war, an dem es gelungen ist, einen Raum zu eröffnen für die menschliche Existenz und ihre Bedürftigkeit. (Tina Wagner) Die Kirche hat hier einen Habitus des demütigen sich Anbietens und des Seins auf Augenhöhe gelebt und gelernt. Schade, dass dieser nie wirklich mehrheitsfähig wurde und daher nun nicht weiter finanziert wird. Über dieses ernüchternde theologische und institutionelle Resümee hinaus, sehe ich jedoch Zukunft. Denn das, was der welt:raum war, das kann weitergehen durch die, die auch bisher den welt:raum gestaltet haben: Auch ohne Ort kann ich Menschen offen und freundlich begegnen, kann ich mich einsetzen für Demokratie, ein friedvolles Zusammenleben und die Würde jedes Menschen. Ich hoffe, dass sie alle so welt:raum:abenteurer*innen bleiben. Ich habe überlegt, welche Highlights es für mich in den zurückliegenden 9 Jahren gab. Es gibt Dinge, die mir vor anderen einfallen, die aber nicht wichtiger waren als andere, die ich vielleicht auch schon vergessen habe. Wirklich alles und jede und jeder war bedeutsam, hat den welt:raum gestaltet, geprägt, weiterentwickelt. Und für alles bin ich wirklich dankbar. Nicht nur heute, aber heute besonders denke ich auch an die, die gerne hier gewesen wären, wenn sie es könnten. Danke für alle und alles! (Martina Fries)" Außerdem gab es am 28.8.2025 einen Artikel der Saarbrücker Zeitung: Und auch dem Saarländischen Rundfunk war der Farewell-Tag einen Beitrag wert:
von Dr.in Martina Fries 16. August 2025
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von dr. martina fries 22. Juni 2025
Wo sind sie gerade? Am Frühstückstisch? Im Auto? Am Bügelbrett? Am Herd? „Wo bist du?“ ist die erste Frage G*ttes an den Menschen. So erzählt es die biblische Schöpfungsgeschichte. Wo ich bin, beeinflusst wer ich bin und was ich für Möglichkeiten habe. Im welt:raum, einem Ort von Kirche am Sankt Johanner Markt in Saarbrücken gibt es gerade eine sehr beeindruckende Ausstellung. Die ukrainische Künstlerin Olena Chelnokova verbindet ihre Bilder mit dem Ort. Sie sagt: „Meine Serie (…) hat ihren Platz in einer (…) Umgebung gefunden, die auf wundersame Weise das Wesen meiner Werke widerspiegelt – im welt:raum. Dieser physisch kleine, aber im Gefühl grenzenlose Ort vereint Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt. Viele von ihnen sind Geflüchtete, die durch den Krieg gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen. Es ist ein besonderer Ort, an dem sich Kulturen begegnen und Schicksale kreuzen.“ Wo etwas ist beeinflusst immer, wie etwas ist. Wo ich bin, beeinflusst wer ich bin. Das gilt für Kunstwerke genauso wie für mein ganz alltägliches Leben genauso wie für die Kirche. Der welt:raum ist für mich ein gutes Beispiel dafür. Hier ist die Kirche, die von sich sagt, dass sie an der Seite der Menschen stehen will, genau dort. Hier öffnet sich ein Raum, der Menschen und Themen miteinander verbindet, die sich sonst wahrscheinlich nie getroffen hätten. Hier entwickeln sich alle Beteiligten miteinander weiter. Hier hat die frohe Botschaft des Glaubens einen Ort. Mich hat der welt:raum sehr geprägt. Ich habe gelernt, sehr genau darauf zu achten, wo ich bin und welche Orte ich aufsuche. Wo planen sie heute zu sein? SR Zwischenruf
von dr. martina fries 22. Juni 2025
Heute ist kalendarischer Sommeranfang: der Tag im Jahr, an dem es am längsten hell ist. Das heißt aber auch: Ab heute werden die Tage wieder kürzer. Im Anfang ist das Ende direkt schon dabei. Das ist immer so. Im Sommer hat die Natur ihre volle Blüte, nur, um sie dann wieder zu verlieren. Das Leben beginnt, um mit dem Tod zu enden. In der Freude des Anfangs schwingt schon die Wehmut des Abschieds mit. Das ist beim Urlaub bei mir auch immer so. Im Wissen, dass die Zeit begrenzt ist, fällt es mir manchmal schwer, mich einfach nur zu freuen und sie zu genießen. Dabei macht die Begrenzung alles wertvoller. Würde der Sommer von heute an für immer sein, wäre er schon bald Normalität. Und wahrscheinlich würden wir uns auch bald nach Regen, kühleren Temperaturen, bunten Blättern an den Bäumen oder Schnee sehnen. Das alles gibt es aber nur dann, wenn der Sommer auch wieder zu Ende geht. Der heutige Sommeranfang beinhaltet schon das Ende des Sommers. Das ist traurig. Und gut. Denn Anfang und Ende gehören zusammen. Nur miteinander hat alles einen Wert. SR Zwischenruf
von dr. martina fries 22. Juni 2025
Ungefähr 123 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Ungefähr 304 Millionen Menschen leben in einem Land, in dem sie nicht geboren sind. Das sind Millionen Geschichten. Es sind Geschichten, die von Krieg, Armut und Naturkatastrophen erzählen. Es sind Geschichten von Leid und Tod. Und es sind Geschichten von Stärke, Kraft und Hoffnung. Die Menschen, die sich aufmachen, die fliehen, fliehen vor etwas, aber vor allem fliehen sie zu etwas hin. Sie brechen auf mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. All dies tragen sie mit sich, wenn sie an geschlossene Grenzen kommen. Geschlossene Grenzen stehen für Angst. Die Hoffnung hat hier keinen Platz. An geschlossenen Grenzen begegnen sich zwei Haltungen: Auf der einen Seite die Stärke und der Mut, die Hoffnung auf ein erfüllteres Leben. Auf der anderen Seite die Angst. Die Hoffnung ist auf die Zukunft hingerichtet, die Angst auf die Vergangenheit. Die Hoffnung macht weit, die Angst eng. Nur wer Hoffnung hat, hat Zukunft, kann sich weiterentwickeln, wer Angst hat, stagniert und verliert letztlich. Das gilt für die Einzelnen genauso wie für die ganze Gesellschaft. Heute ist Weltflüchtlingstag. Dieser erinnert an all die Menschen, die voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft unterwegs sind und denen die Angst diese nehmen will. Und er erinnert die, die noch nicht fliehen mussten, daran, dass sie sich entscheiden können auf welcher Seite sie stehen: auf der der Hoffnung und der Zukunft oder auf der der Angst und des Untergangs. SR Zwischenruf
von dr. martina fries 19. Juni 2025
Heute ist Fronleichnam. Ein sehr katholisches Fest. Viele Gemeinden feiern es draußen. Wenn das Wetter es erlaubt. Der Gottesdienst ist nicht in der Kirche, sondern im Stadtpark, auf dem Marktplatz, auf dem Sportplatz. Oft gibt es auch eine Prozession. Was sonst im Kirchenraum geschieht ist heute öffentlich. Und die, die es tun, setzen sich aus. Männer in Messgewändern, Weihrauch, Monstranz, Kirchenlieder, all das passt eigentlich nicht an die Orte, an denen es heute ist. Passant*innen fühlen sich gestört, irritiert, machen sich lustig. So, wie das Fronleichnamsfest traditionell gefeiert wird, passt es nicht mehr. Dabei geht verloren, worum es an Fronleichnam auch geht: Fronleichnam ist ein Fest gegen die Versuchung des Rückzugs, gegen die Beschränkung auf Eigenlogiken, für das Verlassen der Komfortzone, der eigenen Bubble. Für die Begegnung mit anderen und anderem. Fronleichnam erinnert daran: Nur wenn ich mich aussetze, wenn ich mich riskiere, wenn ich ins Fremde gehe, kann mir Neues begegnen. Und nur wenn mir Neues begegnet, kann ich mich verändern und weiterentwickeln. Das gilt für die Kirche, für Einzelne, für Gruppen und Institutionen. Damit es zur Weiterentwicklung kommen kann, braucht es die Bereitschaft dafür und einen gegenseitigen Austausch. Da ist bei den meisten Fronleichnamsfeiern heute noch Luft nach oben. Dennoch: Das Fronleichnamsfest hat eine wichtige Botschaft: Es braucht die Begegnung mit dem Fremden, um den Horizont zu erweitern, um sich weiterzuentwickeln. zum SR Zwischenruf geht es hier
von ute kirch 16. Juni 2025
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von dr. martina fries 20. April 2025
Ich sitze im Auto. Ich höre Musik und bin in Gedanken noch bei dem schönen Geburtstag, von dem ich komme. Da fällt mir ein Schriftzug an einem Schuppen neben der Autobahn ins Auge. „vergiss“ ist da mit weißer Farbe gesprayt. „vergiss“. Wer hat das wohl dahin geschrieben? Und für wen? Und warum? Wer soll was vergessen? Vom Vergessen erzählt auch eine Geschichte der Bibel: Es ist der Morgen nach dem Tod Jesu. Zwei seiner Jünger sind auf dem Weg nach Hause. Eine Welt ist mit seinem Tod für sie zusammengebrochen. All ihre Hoffnungen und Zukunftspläne sind zerstört. Sie wollen nur noch weg von Jerusalem und vergessen. Unterwegs schließt sich ihnen ein Fremder an. Er interessiert sich für sie. So erzählen sie ihm alles, was sie mit Jesus erlebt haben und wie er gekreuzigt worden ist. Das Erinnern tut ihnen gut. Zuhause angekommen laden sie den Mann zum Abendessen ein. Wie er das Brot bricht, erinnert sie an das letzte Abendmahl mit Jesus. Sie erkennen ihn in diesem Mann. Und obwohl es schon Abend ist und der Weg zurück nach Jerusalem weit brechen sie sofort auf. Sie haben erkannt, dass sie gar nicht vergessen müssen. Dass alles wertvoll ist. Dass alles zu ihrem Leben, ihrer Geschichte gehört. Und dass sie diese mit anderen erinnern und teilen und wachhalten wollen. Das ist für mich eine Botschaft des heutigen Ostermontags: Alles, was wir erlebt haben, gehört zu uns. Das Schöne und das Schreckliche. Manchmal braucht es eine Zeit des Vergessens, aber alles, was wir erlebt haben, macht uns aus, formt uns und kann eine Bereicherung sein. SR Zwischenruf am 21.4.2025
19. April 2025
Zum Karfreitagsgottesdinst waren KHG und welt:raum im Wald am Saarbrücker Sonnenberg unterwegs. Dem Tag und Ort entsprechend machte sich die Gruppe Gedanken zum Thema Grenzen. Da dieses ein zeitloses Thema ist, stellen wir die Impulse hier zur Verfügung. Die wohl extremste Grenzerfahrung im Leben eines Menschen ist der Anlass des heutigen Gedenktages: Jesus stirbt.: Leidensgeschichte (Joh 18,1-19,42) "Bis hierher und nicht weiter" Wenn wir über Grenzen sprechen, verbinden wir in erster Linie damit Einschränkungen. Von außen gesetzte Stoppzeichen. Es gibt Grenzen, die unüberwindbar erscheinen. Hier in der Nähe der grünen Grenze merke ich nichts von der unüberwindbaren Mauer. Zu anderen Zeiten oder an anderen Orten reißen vielleicht sogar willkürlich gesetzte Grenzen Familien und Freundschaften auseinander. Von heute auf morgen ist nichts mehr wie es war. Wenn ich diese Grenze überschreiten will, braucht es Mut. Ich muss vielleicht erst viele Grenzen in mir selbst überwinden, bevor ich aufbrechen kann. Andererseits können sich Grenzen von heute auf morgen verändern. Hier im deutsch-französischen Grenzgebiet haben wir selbst erlebt, dass Grenzen nicht für die Ewigkeit gemacht sind. Auch meine eigenen Grenzen verschieben sich. Ein Erlebnis oder eine Begegnung mit einem Menschen können bekannte Strukturen ins Wanken bringen. Wenn ich nun auf mein eigenes Leben zurückschaue: >Welche Grenzen haben sich in meinem Leben verändert? >Und von welchen Grenzen in meinem Leben würde ich mir wünschen, dass sie sich verändern? Wege Wir gehen einen Weg, er ist breit und wir überblicken ihn auf eine weite Strecke. Auf einem solchen Weg fühlen wir uns im Wohlvertrauten, Bekannten, Sicheren. Und dann reizt es uns, einen anderen Weg einzuschlagen, aus dem Wohlvertrauten abzuzweigen und einen neuen Weg zu suchen, ein neues Ziel in den Blick zu nehmen; der Weg führt uns durch unwegsameres Gelände. Wir haben uns durch das Unterholz geschlagen, haben sogar einen Baum übersteigen bzw. umgehen müssen – das alles in der Hoffnung auf einen anderen als den gewohnten Weg, neugierig auf etwas, was wir uns am Ende des neuen Weges zu finden hoffen und landen in einer Mulde, aus der der Weg nicht mehr weiterführt – das Gelände setzt uns eine Grenze. An solch einer Stelle können wir uns fragen: was ist – im übertragenen Sinn - mit meinen Lebenswegen? An welche Grenze stoße ich gerade? Welcher hoffnungsvolle Weg, den ich mit Freude und Erwartungen eingeschlagen habe, führt nicht weiter? Wie können wir mit solch einer ‚Grenz‘situation umgehen? Nun, wir können versuchen, aus der Mulde herauszukommen in der Hoffnung, dass wir aus eigener Kraft die Hindernisse überwinden und der Weg doch weiterführt. Wir können uns die Hilfe von Anderen holen. Und schließlich: Wenn wir keine Aussicht auf ein Weiterkommen haben, dürfen wir aber auch zurückgehen auf den ‚sicheren‘ Weg und uns von dort nach anderen Erfahrungen und Wegen umsehen. Politische und persönliche Grenzen Hier befinden wir uns genau an der Grenze zwischen Frankreich und Deutschland. Diese Grenze, die überhaupt nicht zu sehen ist, wurde, genau wie alle anderen Nationalgrenzen, willkürlich gesetzt. Diese Willkür hat für sich bereits etwas Gewalttätiges. Irgendwann haben Menschen beschlossen, dass eine Grenze durch diesen Wald verläuft. Und somit Menschen in zwei Sorten, zwei Arten aufteilt. Da „Franzosen“ hier „Deutsche“. Historisch betrachtet war diese Grenze nie eine feste Größe, wer zu Deutschland gehört und wer zu Frankreich hat sich über die Jahrhunderte immer und immer wieder geändert. Die Grenzziehung – und konkret sogar gerade diese Grenzziehung zwischen Deutschland und Frankreich - haben Europa viel Krieg und Leid beschert. Erst der Gedanke und schließlich auch die Umsetzung eines grenzfreien Raumes haben uns Frieden gebracht. Und doch gibt es wieder ein “wir” und “die anderen” und Gewalt und Tod an europäischen Grenzen: nun an der langen europäischen Außengrenze und es gibt wieder Forderungen nach und Durchsetzung von mehr Grenzkontrollen innerhalb Europas. Wer hier Grenzen zieht, steht auf der Seite der Macht bzw. der Mächtigen. Wer versucht, Grenzen zu überqueren, sie zu hinterfragen, sie gar zu bekämpfen, steht auf der der Ohnmacht. Das müssen wir gerade weltweit und auch bei uns direkt erleben: Wenn es Familien verwehrt wird, zusammenleben zu können, wenn legale Wege Grenzen zu überschreiten, abgeschafft werden, wenn Menschen aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden und in ein vermeintliches Heimatland zurückkehren müssen, das keine Heimat mehr ist oder diese Rückkehr Gefahr bedeutet. Die Frage von Macht und Ohnmacht betrifft auch meine eigenen ganz persönlichen Grenzen. Zum einen kann es eine ermächtigende und bestärkende Erfahrung sein, eigene Grenzen zu ziehen, sie klarzumachen und deren Einhaltung durch andere einzufordern. Wenn ich meine eigenen Grenzen setze, um mich zu schützen, dann hat das etwas sehr Machtvolles. Zum anderen ist die Erfahrung, dass die von mir gesetzten Grenzen oder meine natürlich existierenden Grenzen ignoriert, überschritten oder durchbrochen werden, meist schmerzhaft, anstrengend und lähmend. Das Überschreiten meiner Grenzen kann passieren, weil das Leben es erfordert, weil ich Verantwortung trage, weil ich mich verantwortlich fühle, weil es von mir erwartet wird o.ä. Oder meine Grenzen werden durch andere überschritten - dies hat immer etwas Gewaltvolles. Die ursprüngliche Machterfahrung der Grenzziehung wird zur Ohnmachtserfahrung, der Grenzüberschreitung. Diese Erfahrung kann mich verändern - für den Moment, aber auch für immer. Leben ohne Grenzen gibt es nicht. Die Botschaft des Karfreitags ist: jede Grenze kann überwunden werden, sogar die des Todes. Grenzerfahrungen sind von unterschiedlicher Intensität und Dauer, aber nicht ewig. Wenn ich mich den Grenzen stelle, so verändert das in der Regel etwas, in mir und/oder meinem Umfeld. Wir glauben, dass G*tt mit seiner Menschwerdung die Grenze zwischen dem G*ttlichen und dem Menschlichen überschritten hat. G*tt ist Mensch. Und stirbt in Jesus den gleichen Tod wie alle Menschen. (Katrin Altmaier, Martina Fries, Stefanie Louis, Tina Wagner)
von dr. martina fries 17. April 2025
Fastenzeit und Umkehr gehören zusammen. Im Markusevangelium heißt es „Kehrt um und glaubt an das Evangelium”. „Kehrt um” ist dabei die Übersetzung des Griechischen „metanoiete”, was eine Zusammensetzung aus meta und noos ist. Meta meint ursprünglich einen Orts- und/oder Zustandswechsel. Noos meint Geist, Gedanke. Metanoia / Umkehr meint also eigentlich einen Ortswechsel, sich in Bewegung setzen und von einem Ort zu einem anderen gelangen, was auch bedeutet, eine Grenze zu überschreiten, sich zu verändern - zunächst räumlich, dann aber auch wesentlich. Als Haltung: größer denken. Etwa so wie es das bekannte Zitat ausdrückt: „Alle sagten das geht nicht. Dann kam eine, die das nicht wusste und hat es einfach gemacht.“ Metanoia / größer denken als Haltung bedeutet, sich nicht mit dem zufrieden zu geben, was vermeintlich nicht gehen kann. Diese Haltung ist anstrengend, denn sie führt dazu, dass ich stets hinterfrage, Neues ausprobiere, mich also bewege und nicht in einer bequemen Opferhaltung verharre. Wenn ich von einem Ort zu einem anderen will, gibt es zwischen beiden eine Grenze. Diese muss ich erkennen, anerkennen, erst dann kann ich sie überschreiten. Das heißt, die Metanoia ist keine Leugnung der Realität, sondern im Gegenteil eine kompromisslose Anerkennung derselben. Deshalb, weil ich sie aber so nicht stehen lassen will, weil ich sie verändern will, versuche ich einen Perspektiv- und/oder Ortswechsel. Dieser überwindet dann die Grenze und die Gegenüberstellungen. Zudem gibt es keine Erfolgsgarantie. Nicht immer, vielleicht sogar eher selten, zahlt sich das Wagnis aus. Jesus endet am Kreuz, erst einmal. Aber nur, wenn ich mich bewege, größer denke, kann ich Neues entdecken. Und das ist immer wertvoll.
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